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Modellbahn: Triebfahrzeuge

Fahrwerks–Grundlagen

Vor vielen Jahren bot die Firma Merker & Fischer ein H0–Kleinserien–Modell der BR 96 an. Das war eine Mallet–Tenderlokomotive mit zweimal vier gekuppelten Achsen (siehe Fremde Seite bayerische Gt 2×4/4 bei Fremde Seite Malletlok von Olaf Haensch).

Das optisch geglückte Dampflok–Modell hatte schnell seinen Spitznamen weg: „Tatzelwurm”. Die 16 Räder befanden sich nämlich niemals gleichzeitig auf dem Gleis, stets hingen ein bis drei davon in der Luft. Wenn die Lok fuhr, schlängelte sie sich zwar anmutig, aber wenig Vorbild–gerecht über das Gleis.

Ein Manko der Konstruktion - starr gelagerte Achsen - findet sich aus Kostengründen leider heute auch noch an vielen Modelleisenbahn–Fahrzeugen.

Es führt zu verminderter Zugkraft und schlechterer Stromabnahme. Hier wird beschrieben, wie sich dieser und andere Mängel - bastlerisches Geschick voraus gesetzt - beheben lassen.

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Allradauflage (Dreipunktlagerung)

Je weniger Achsen ein Triebfahrzeug hat, desto wichtiger wird die Allrad–Auflage. Bei einer zweiachsigen Lok gibt es nur drei Stromaufnahme–Punkte an den Rädern, wenn eines davon das Gleis nicht berührt, beispielsweise wegen einer Unebenheit. Ist nun ein weiteres Rad mit einem Kunststoff–Haftreifen bestückt und ein drittes auf dem Kunststoff–Herzstück einer Weiche, ist es aus mit dem Fahrspaß - es sei denn, die Lokomotive rettet sich mit Schwung über die kritische Situation.

Diesem Problem versucht LGB® mit Schienenschleifern abzuhelfen, was zwar nicht so schön aussieht, jedoch passabel funktioniert.

Die starre Lagerung der Achsen hat - besonders bei Triebfahrzeugen mit zwei Achsen - einen weiteren, ebenso schwer wiegenden Nachteil.

Wenn ein Rad nicht mit dem gleichen Druck wie die anderen an die Schiene gepresst wird, kann darüber nur ein geringerer Teil der Zugkraft übertragen werden. Die Haftung ist eben kleiner. Zwar wird sich auf dem gegenüber liegenden Rad der Anpressdruck erhöhen, dessen Auflagefläche bleibt jedoch gleich. Dadurch erhöht sich wiederum die Gefahr, dass dieses Rad durchdreht.

Tritt diese Situation ein, so liegt plötzlich die gesamte Last auf der anderen Achse. Durch diesen Sprung wird auch diese zum Durchdrehen neigen. Die Zugkraft der Lok ist daher nur bei ebenen und glatten Gleisen voll nutzbar. Daher werden ab Werk oft Kunststoff–Haftringe auf die Lauffläche eines Rads aufgezogen. Diese Haftreifen sind jedoch technisch wie optisch nicht die beste Lösung.

Ganz anders sieht es aus, wenn eine der Achsen quer zur Fahrtrichtung pendelnd aufgehängt wird und das Gewicht sich einigermaßen gleichmäßig auf beide Achsen verteilt (zu mehrachsigen Fahrgestellen weiter unten mehr).

Bei so einer Dreipunktlagerung liegen stets alle Räder auf. Die verfügbare Zugkraft verteilt sich ziemlich gleichmäßig auf alle Treibräder - und im Idealfall auch der Anpreßdruck. Der Drehpunkt der pendelnden Achse sollte möglichst nahe bei der Höhe der Achse und in deren seitlicher Mitte liegen.

Eine Dreipunktlagerung entspricht einem dreibeinigen Tisch. Zwei Beine sind die zwei Räder der starren Achse, das dritte Bein die mittige Lagerung der Pendelachse.

Lokomotiven mit solchen Fahrwerken erreichen leicht die selbe oder gar eine bessere Zugkraft als nominell stärkere Modelle mit starren Achsen und Haftreifen. Das zeigt sich dann auch gleich im erhöhten Strombedarf unter Last. Die Stromabnahme verbessert sich merklich und damit auch die Betriebssicherheit.

 

Federung

Die Abfederung einer Achse kann eine Alternative oder Ergänzung zu einer Dreipunktlagerung sein. Beispielsweise ist die mittlere Achse der ganz oben abgebildeten „Spreewald”–Lok gefedert. Damit diese Federung wirksam ist, muss die Achse sich über und unter die mittlere Höhe bewegen können - und der Federdruck muss passend gewählt werden. Ist dieser zu schwach, hat die Achse zuwenig Anpressdruck.

Bei einer dreifach gekuppelten Lokomotive sollte, ergänzend zur Federung der mittleren Achse, die vordere Achse pendelnd gelagert werden. Das ist beispielsweise bei dem erwähnten Modell nicht der Fall. Dadurch wird - unnötiger Weise - viel Zugkraft verschenkt.

Bei Fahrwerken mit mehr als zwei angetriebenen Achsen sind Wipplager die bessere Wahl (siehe nächster Abschnitt).

Vor– und Nachlaufachsen in eigenen Drehgestellen sollten grundsätzlich gefedert sein (oder die Drehgestelle selbst).

Bei zweiachsigen Wagen ist eine Dreipunkt–Lagerung einfacher als eine Federung zu bauen. Es gibt jedoch eine Alternative, die der Vollständigkeit halber erwähnt werden soll: die „negative” Federung.

Bei ebenem Gleis liegt der Wagenkasten an allen Radlager fest auf. Kommt nun eine Absenkung, kann ein Rad über eine Feder in diese Vertiefung gedrückt werden. Da bei Unebenheiten immer mindestens drei Räder aufliegen, funktioniert das ganz gut. Diese Technik ist beispielsweise dann sinnvoll, wenn Sie einmal einen Wagen mit Märklin–Radsätzen der Nenngröße I (1:32-Regelspur) ausstatten wollen. Diese Räder sind schöner als die von LGB®, haben aber einen niedrigeren Spurkranz. Die Federung bewirkt eine sichere Führung auch bei Weichenherzstücken.

 

Wipplager

Das oben beschriebene Prinzip der Dreipunkt–Lagerung lässt sich gleich den Wurzeln eines Baums auf Fahrwerke mit mehr als zwei Achsen erweitern. Als Beispiel möge eine dreifach gekuppelte Lokomotive dienen.

Eine der Achsen - nehmen wir an, die vorderste - wird wie gehabt quer pendelnd gelagert.

Bei den beiden hinteren werden die Räder je einer Seite in einem gemeinsamen Rahmen gelagert. Diese Rahmen sind in ihrer Mitte so gelagert, dass die Räder parallel zur Schiene auf und nieder wippen können. Die Querachse zwischen den beiden Rahmenwangen (Wippen) ist wiederum drehbar, aber quer zur Fahrtrichtung gesehen starr (nicht pendelnd) gelagert. Dieses Prinzip kann auch bei Drehgestellen von Waggons verwendet werden.

Durch die drehbar gelagerte Vorderachse wird das anteilige Gewicht des Triebfahrzeugs gleichmäßig auf beide Achsen verteilt (gemeint sind damit die Vorderachse und die Wipplagerachse). Alle vier Räder in den Wippen werden stets aufliegen. Die Lagerpunkte der Wipplagerachse sind zwei „Beine” der Dreipunktlagerung. Sie sorgen dafür, dass das Fahrzeug nicht quer zur Fahrtrichtung kippt.

Die vordere, quer zur Fahrtrichtung pendelnde Achse ist das dritte „Bein”. Es werden also alle sechs Räder stets aufliegen. Wird die Wipplager–Konstruktion mit zwei Dritteln des Lokomotiv–Gewichts belastet, ist der Achsdruck bei allen Achsen identisch.

Wie sieht es nun nun mit vierachsigen Fahrwerken aus? Ganz einfach. Sie bauen zwei Wipplager. Eines davon lagern Sie so, dass es quer zur Fahrtrichtung pendeln kann, das andere ist in dieser Richtung starr gelagert.

 

Kugellager und Schwungmassen

Ein weiteres Problem bei Fahrwerken von Lokomotiven und Triebwagen ist die Reibung. Davon gibt es allerlei: An den Achslagern, auf die das nicht unerhebliche Gewicht von Lokomotiven in Nenngröße IIm drückt, bei der Steuerung von Dampfloks, zwischen Schnecke und Schneckenrad des Getriebes und bei der Stromabnahme. Eine kleine Dampflok im Maßstab 1:22,5 kann durchaus schon 3 kg auf die Waage bringen.

Die Lagerungen der Wippen und Pendel sind vergleichsweise unkritisch - sie müssen nur stabil sein. Die Achsen mit Kugellagern zu versehen - und kugelgelagerte Motore zu verwenden - ist jedoch sinnvoll.

Dennoch treten im Fahrbetrieb mechanische Hemmungen auf, zum Beispiel, wenn ein Rad in das Herzstück einer Weiche fällt und nun wieder da heraus soll, oder wenn es mal einen nicht ganz sauber verlegten Schienenstoß gibt.

Da Schmalspur–Fahrzeuge keine Rennwagen sind, nützt in so einem Fall die Masse der Modelle nicht sehr viel - es kommt nicht genug Trägheit zusammen. Und das, was übrig bleibt, wird bei Stromunterbrechungen durch die Hemmung von Schneckengetrieben aufgebraucht.

Um mehr Massenträgheit zu erzielen, braucht es also höhere Geschwindigkeiten. Die treten bei den Triebfahrzeugen aber nur an einer Stelle auf: an der Motorwelle. Bei genügend Platz ist es daher klug, eine Schwungmasse auf einer Motorwelle anzubringen oder darüber anzutreiben. Bei Schwungmassen kommt es auf zwei Dinge an: Der Durchmesser sollte möglichst groß sein, je größer, desto besser, und sie müssen rund und wuchtig sein. Schwungmassen mit Unwucht führen zur Zerstörung der Motorlager und schaden mehr, als sie nützen.

Angenommen, das Getriebe hat eine Gesamtuntersetzung von 1÷50, so dreht sich die Schwungmasse eben um diesen Faktor schneller als die Räder. Theoretisch - allerdings wirklich nur theoretisch - wird die Trägheit der Schwungmasse mit 50–facher Verstärkung an die Räder weiter gegeben. Das ist natürlich nicht der Fall, aber dennoch kann die Lok damit kurze elektrische und mechanische Hemmnisse leichter überwinden.

 

Problem Stromabnahme

Bei der Stromabnahme - also auf dem Weg von der Schiene bis zum Motor oder Decoder - können zwei Sorten von Problemen auftreten: Reibung und schlechte Übertragung von Strom und Spannung.

Bei LGB®–Fahrzeugen wird der Strom an der Innenseite der Räder außen beim Laufkranz abgenommen. Dazu werden Kohleschleifer mit Federn in Leichtmetall–Büchsen verwendet.

Der Druck dieser Schleifer ist ganz beachtlich, und da er außen am Rad wirkt, sorgt er für eine ganz erhebliche Reibung. Das ist ganz besonders bei Waggon–Modellen unerwünscht. Die angebotenen Radsätze mit Kugellagerung und integrierter Stromabnahme sind aber nicht nur teuer, sondern durch die Vierkant–Achsen auch unschön.

Die Lösung kann eventuell darin bestehen, den Schleiferpunkt zur Achse hin zu verlagern. Dort wird innen isoliert ein dünner Ring angebracht, der mit der Lauffläche über einen Draht hinter einer Speiche elektrisch verbunden wird. Die Abbildungen zeigen das Prinzip.

Ob und wie sich diese Technik bei Triebfahrzeugen anwenden lässt, hängt vom jeweiligen Modell ab. Dass es geht, ist bewiesen (siehe zweites Bild).

Das zweite Problem - schlechte Übertragung des Stroms - tritt gleich an mehreren Stellen auf: Bei verschmutzten Schienen und / oder Rädern und an jedem mechanischen Kontakt (beispielsweise den Radschleifern). Gegen die Verschmutzung hilft nur Putzen. Vernickeltes Gleis und Edelstahl–Gleis ist weniger anfällig, Neusilber trotz der schlechten Leitfähigkeit schon deutlich besser als Messing. Die Vermeidung von Kunststoff–Radsätzen an Waggons hilft auch.

Bei den mechanischen Kontakten, vor allem Radschleifern, sollten Sie möglichst Gold verwenden. Seine Leitfähigkeit ist gut, vor allem aber die Korrosions– und Abbrand–Festigkeit. Sie sollten nicht gleich entsetzt aufschreien. Für ein kleines Plättchen Gold, aus dem Sie etliche Kontakte anfertigen können, muss kein Vermögen bezahlt werden.

Solche Goldplättchen können Sie beispielsweise auf Drahtenden auflöten und als Radschleifer verwenden.

 

Problem Höchstgeschwindigkeit

Was bei gestandenen Modellbahnern Entzücken hervorruft, löst bei kleinen Kindern oft Verwunderung oder gar Enttäuschung aus: eine dem Vorbild entsprechende Höchstgeschwindigkeit von Triebfahrzeugen.

In den kleineren Nenngrößen, beispielsweise H0, hat sich in den vergangenen Jahren in diesem Punkt viel getan. Die umgerechnete Höchstgeschwindigkeit des Originals wird im Modell meist nur wenig überschritten.

Bei viel zu schnellen Modellen hilft die weise Beschränkung auf einen Teilbereich des Fahrtreglers. Das bleibt eine Beschränkung, weil zum einen die meisten Motoren bei geringerer Spannung auch nur geringere Ströme ziehen (das gilt also nicht bei einem Betrieb mit Impulsbreitenmodulation) und weil der Regelbereich dadurch unnötig eingeschränkt wird.

Besser ist eine richtige Getriebe–Abstufung. Die lässt sich aber bei Original–Modellen von LGB® nur schwer nachrüsten. In der Regel wird ein Fahrwerks–Neubau unumgänglich sein. Hilfen zur Berechnung gibt bei der Modellbau–Seite zum Thema „Antriebe für Modell–Lokomotiven”.

Wer sich beim Vorbild nicht so recht auskennt, wird über die doch niedrigen Höchstgeschwindigkeiten besonders kleiner und älterer Lokomotiven erstaunt sein: Oft wurden nur 25 bis 30 km/h erreicht - und das unter guten Bedingungen.

Auf der Seite zum Thema Fahrzeug–Beleuchtung wird beschrieben, wie sich aus dieser Not eine Tugend machen lässt.

 

Die praktische Umsetzung

Soweit die Theorie. Wie sieht es aber nun mit der Bauanleitung aus?

Eine solche Anleitung kann leider nicht pauschal erstellt werden. Dazu sind die Modelle und Gegebenheiten zu unterschiedlich. Auch wird nicht jeder Bastler über das gleiche handwerkliche Geschick oder den teilweise benötigten Maschinenpark für solche Umbauten verfügen.

Probieren Sie Ihr Glück selbst. Sie werden über die möglichen Unterschiede erstaunt sein.

 
 
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