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Schriftarten im Deutschen Reich

Einleitung

Die ABC–Schützen erlernen heute in der Grundschule die „vereinfachte Ausgangsschrift”, die von der etwa 1953 eingeführten „Lateinischen Ausgangsschrift” abgeleitet wurde. Mit Ausgangs–Schrift wird eine Schrift bezeichnet, die zunächst einfach zu erlernen ist und im Laufe der Zeit individuell angepasst werden kann.

Anfang des 20. Jahrhunderts quälten sich die Schüler noch mit Feder–Kielen oder ebenso spitzen Stahlfedern, die speziell beim Schreiben gegen den Strich auf dem Papier hängen blieben und nicht selten Flecken, Kleckse oder gar kleine Stichwunden hinterließen. Der Verfasser hat selbst noch so eine „Tätowierung” am linken Zeigefinger.

Von 1924 bis 1931 wurden im Deutschen Reich zwei wesentliche Erleichterungen eingeführt: die Bandzug–Feder mit schräg abgeflachter Spitze sowie die von Ludwig Sütterlin entwickelte „Deutsche Schreibschrift” und Lehrmethode.

Jüngere Menschen können die Sütterlin–Schrift oft nicht mehr lesen. Manche von ihnen haben auch Probleme mit der damals für Druckwerke üblichen Fraktur. Da beide bei Dokumenten und Faksimiles aus der Zeit der Deutschen Reichsbahn–Gesellschaft wichtig sind, sollen sie hier kurz vorgestellt werden.

Wenn Sie auf dem PC die Sütterlin–Schrift oder Fraktur–Schriften setzen (sprich: verwenden) möchten: Sie finden etliche geeignete Schriftschnitte zu moderaten Preisen bei Fremde Seite Delbanco. Denken Sie bitte auch daran, dass damals noch die alte Rechtschreibung galt. Sie werden noch ein Problem bemerken: Die Verbindungs–Linien zwischen den einzelnen Buchstaben stimmen bei am PC gesetzten Schreibschriften oft leider nicht.

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Sütterlins deutsche Schreibschrift

Ludwig Sütterlin sollte seinen Erfolg nicht mehr erleben. Er verstarb 1917 in Berlin, angeblich als Opfer der Hungerblockade im ersten Weltkrieg.

Eine ausführliche Beschreibung der Schrift und ihrer Besonderheiten mit zahlreichen Beispielen bietet Andreas Göbel auf seiner sehr guten Website Fremde SeiteDeutsche Schrift.

Auf der ersten Abbildung des Abschnitts steht - gesetzt mit dem PC: „Dies ist ein Beispiel für die deutsche Schreibschrift. Das Haus ist oft an der Ecke. Stahl und Eisen. Franz jagt im komplett verwahrlosten Taxi quer durch Bayern. Amerika liegt woanders.”

Diese Schreibschrift hat zwei wichtige Merkmale: Die überwiegende Mehrzahl der Striche führt passend zur Stellung der rechten Hand von links unten leicht nach rechts oben (oder von dort entsprechend wieder zurück). Es gibt nicht zu viele Querstriche oder Kreise. Und die Buchstaben können oft in einem Strich - ohne Absetzen - aneinander gereiht werden.

Dabei bleibt dem Schreibenden genug Spielraum für eine individuelle Ausprägung der eigenen Handschrift. Das zeigt das zweite Beispiel mit dem selben Text, aber etwas kürzeren und breiteren Buchstaben.

Beachten Sie den Unterschied zwischen dem langen s am Wortanfang oder in der Wortmitte („soll”, „ist”) und dem runden s am Wortende („Haus”). Weiter unten wird das Alphabet im Vergleich der verschiedenen Schriften gezeigt.

Schreibschriften, die den heute üblichen annähernd entsprechen, wurden allerdings auch schon lange vor 1930 verwendet. Das kleine „r” entsprach dabei aber meist der Ausführung wie bei der Sütterlin–Schrift mit Aufschwung, Kringel und Abschwung. Es ist heute zum Beispiel noch in Italien üblich.

 

Fraktur–Schrift

Für Bücher und Zeitschriften wurde bis nach dem zweiten Weltkrieg eine Druck–Fraktur verwendet. Diese Schrift leitet sich von sehr alten Wurzeln ab. Frakturen wurden schon im frühen Mittelalter zur handschriftlichen Erstellung von Büchern eingesetzt. Geschrieben wurde mit den Kielen von Gänsefedern. Deren untere Hälfte wurde vorne und an der Spitze etwas stumpf abgeschnitten.

Die Buchstaben hatte damals noch sehr gerade, senkrechte Striche, Rundungen kamen kaum oder gar nicht vor. Das Emailleschild zeigt ein Beispiel, an dem sich - wäre es von Hand geschrieben - auch gut die Feder–Haltung erkennen ließe. [ b ].

Bei den im Druck in der Reichsbahn–Zeit verwendeten Fraktur–Schriften waren die Linien - vor allem bei Großbuchstaben - schon über ein Jahrhundert etwas runder, und etliche Buchstaben hatten an Enden und Ecken kleine Verzierungen (zweites Bild–Beispiel).

Beim Lesen, Schreiben und Setzen von Frakturschriften gilt es zwei wichtige Besonderheiten zu beachten: das lange und das kurze s sowie Ligaturen (siehe folgende Abbildung).

Beispiele für Ligaturen.  [ ± ].

Ligaturen sind die Kombination von zwei oder drei Buchstaben, die entweder enger zusammen oder in Verbindung miteinander sogar etwas anders geschrieben werden. Als Beispiel dafür mag die Kombination „tt” dienen. Der Querstrich beider Buchstaben läuft hier durch. Weitere in der Frakturschrift übliche Ligaturen sind: ch, ck, ff, fl, ft, sch, ss, st, tt und tz.

Beispiele für das lange und kurze s.  [ ± ].

Das „kurze s”, das dem heutigen Buchstaben–Bild entspricht, wird normalerweise nur am Wortende verwendet („Haus”), zumindest gestattet ist es bei zusammen gesetzten Wörtern am Ende eines vorderen Wortteils („alsdann”). In allen anderen Fällen, also grundsätzlich in Wortmitte oder am Wortanfang, wird das „lange s” verwendet („soll”, „ist”). Bei einigen klein gedruckten Frakturen besteht eine gewisse Verwechslungs–Gefahr mit einem f, vor allem, wenn dessen Querstrich nur schwach ausgeprägt ist.

Gelegentlich war auch eine besondere Kennzeichnung von Doppel–Buchstaben ohne Oberstriche zu sehen, vor allem beim m („willkommen”). Das m wurde nur einmal geschrieben, jedoch mit einem waagerechten Strich darüber als Zeichen der Verdoppelung.

 

Werbung

Drei Beispiele für Fraktur–Werbeschriften.
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In der Werbung wurden plakative Ausführungen sowohl der Sütterlin–Schreibschrift als auch von Schmuck–Frakturen verwendet. Bei Schildern und Schmuck–Schriftstücken gab es gelegentlich auch Fraktur–Typen mit üppigen Verzierungs–Schnörkeln.

Zeitschriften–Werbung: „Land und Garten”.
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Die Abbildungen zeigen ein paar zeitgenössische oder nachgebaute Beispiele. Bei den Fraktur–Schriften bildeten sich bald eigene Stil–Richtungen heraus, so beispielsweise „Schwaben” (mittleres Wort beim Bild links).

In der untersten Zeile des „Vitamalz”–Werbeschilds ist gut zu erkennen, dass es auch bei der Sütterlin–Schrift ein Schluss–s am Ende von Worten oder Silben gab. Dort steht nämlich „Glaabsbräu Seligenstadt” und nicht etwa, wie es bei einem flüchtigen Blick aussieht, „Glaabbbräu Seligenstadt”. Das zweite „s” in „Seligenstadt” ist hingegen wieder normal geschrieben - es liegt am Wortanfang beziehungsweise in Wortmitte.

Einen wichtigen Einfluss auf die Typografie der Jahre ab 1920 hatte auch der „Jugendstil”, so nach einer sehr populären Zeitschrift genannt. Seine Blumenranken und Schnörkel inspirierten manchen Schriftgestalter zu sehr eigenen Kreationen. Ein Beispiel dafür ist das Kodak–Emaille–Schild. Sein Datum ist nicht bekannt, es könnte um 1925 liegen.

 

Beschriftungen

Neben der Druckfraktur und der Schreibschrift sind noch weitere typografische Punkte erwähnenswert.

Die Schreibmaschinen-Schrift sah im Deutschen Reich schon so aus wie noch beim Aussterben der mechanischen Maschinen ohne wechselbare Kugelköpfe oder Typenräder.

Für Beschriftungen (beispielsweise die Anschriften an Eisenbahn–Wagen) wurden konstruierte DIN–Schriften verwendet, und zwar die DIN 1451 „Fette Engschrift” für Buchstaben und die DIN 1451 „Mittelschrift (alt)” für Zahlen (heutige Bezeichnungen).

Der Vorteil der Fetten Engschrift lag darin, dass sich bei wenig Breite viel Text unterbringen ließ - und das noch gut lesbar. Bei Zahlen wäre wegen der geringen Zwischenräume die Verwechslungsgefahr zu groß gewesen, daher wurde auf die Mittelschrift ausgewichen, deren Zwischenräume breiter waren. Dadurch waren auch die Rundungen besser zu erkennen.

Verschiedene Ausführungen der Kleinbuchstaben l und t.
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Die fette Engschrift kannte einige Varianten. So wurden bei den Anschriften der Waggons der Deutschen Reichsbahn–Gesellschaft die senkrechten Striche der Kleinbuchstaben b und d teilweise nicht bis zur Grundlinie geführt, sodass diese dort rund waren. Auch gab es das kleine l und t sowohl mit als auch ohne Ausrundung am unteren Ende des senkrechten Strichs.

Die fette Engschrift wird auch heute noch viel benutzt, so beispielsweise bei den Schildern mit Straßennamen.

 

Schrift–Tabelle

Am Schluss dieses Beitrags folgen Bild–Tabellen mit dem Alphabet und den Zahlen. Bei den Buchstaben sind die Schriften der Spalten von links nach rechts eine moderne „Helvetica”, Sütterlin, Druckfraktur und DIN 1451 „Fette Engschrift”. Bei den Zahlen ist die linke Spalte „Helvetica”, die mittlere Sütterlin. Die rechte Spalte zeigt die in der Druck–Fraktur üblichen, runden Zahlen.

Buchstaben von A bis M im Vergleich: Helvetica, Sütterlin, Fraktur, DIN 1451 „Fette Engschrift”.
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Buchstaben von N bis Z und ß im Vergleich: Helvetica, Sütterlin, Fraktur, DIN 1451 „Fette Engschrift”.
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