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Vorbild: Gleise

Weichen, Kreuzungen, Gleissperren

Kurz bevor dies geschrieben wurde, fragte die damals dreieinhalbjährige Tochter den Verfasser: „Papà, perché i trenini hanno binari?” (zu Deutsch: Papa, warum haben die Eisenbähnchen Schienen?).

Dabei sollte sie es längst besser wissen (vor allem von häufigen „händisch” verursachten Entgleisungen mit anschließenden Wiedereingleisungs–Versuchen). Spaß beiseite: Die Schienen führen die Räder, aber ohne Weichen nur auf einer Linie.

Auch diese Seite betrifft sowohl das Vorbild als auch die Modellbahn.

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Grundsätzliches

Bei den frühen Grubenbahnen und auch noch in den ersten Tagen des öffentlichen Personenverkehrs gab es nur sogenannte „Schleppweichen”. Sie bestanden schlechterdings aus schwenkbaren Schienenstücken, die von Hand oder über Stellhebel in die eine oder andere Endlage bewegt wurden. Auf Feldbahnen sind solche Weichen auch heute noch im Einsatz.

Auf Dauer befriedigte die Konstruktion nicht. Die frühen Vehikel konnten allenfalls im Schritt–Tempo über die Behelfskonstruktionen rumpeln, zumal auch bei kluger Konstruktion am Drehpunkt noch große Spalte und Winkel auftraten.

Daher kamen schon früh die noch heute gebräuchlichen Weichen auf (zweite Skizze). Die Weichenzungen (1) waren nun federnd oder drehbar gelagert. Am Herzstück (2) gab und gibt es eine Stelle, an der eines der Räder ohne Führung ist (außer bei modernen Hochgeschwindigkeits–Weichen mit beweglicher Herzstückspitze). Daher wird das gegenüber liegende Rad über die Radlenker (3) und die äußeren Schienen in beiden Seitenrichtungen geführt.

Dennoch bleibt eine kurze Strecke - je schlanker der Herzstück-Winkel ist, desto länger wird sie - in der das Rad in Weichenmitte ohne Auflage ist. Das wird teils aufgefangen, indem das Rad für diese kurze Entfernung nicht auf der Lauffläche, sondern auf dem Spurkranz abrollt, und zwar auf einer Platte zwischen der Herzstückspitze und den inneren Radlenkern. [ b ].

Es gibt Weichen, bei denen der abzweigende Strang durchgehend gebogen ist, und solche, bei denen er im Herzstückbereich gerade verläuft. Das ist die üblichere Bauweise.

Beim Vorbild haben sich bestimmte Standard–Weichentypen etabliert. Sie werden nicht - wie bei Modellbahnen - mit dem Abzweigwinkel, sondern mit dem Radius sowie dem Verhältnis zwischen Länge und Abweichung bezeichnet (zum Beispiel EW 190 1:9), dazu kommen optional noch Angaben zum Schienenprofil (zum Beispiel 54), zur Zungenlagerung (Beispiel: Gz für „Gelenkzungen”) und zum Material der Schwellen (H für Holz oder E für Eisen).

 

Exkurs: Verhältnis zu Grad umrechnen (und anders herum)

Bei der Planung von Modellbahnanlagen und der Gleisplangestaltung wird Ihnen zuweilen eher der Abzweigwinkel (Weichenwinkel) einer Weiche als deren Verhältniszahl nützlich sein. Daher wird hier die Umrechnung beschrieben.

Der Winkel einer Weiche entspricht dem Arkustangens (arctan, atan) der Verhältniszahl als Bruch. Bei einer Weiche im Verhältnis 1:9 sieht die Rechnung (alte Grad) so aus:
1 ÷ 9 = 0,11111. arctan(0,11111) = 6,3402°.

Um so eine Rechnung mit dem Windows–Rechner auszuführen, brauchen Sie (neben der wissenschaftlichen Ansicht) noch einen kleinen Trick - denn der hat keine arctan–Taste. Gehen Sie wie folgt vor, hier am Beispiel für eine Weiche im Verhältnis 1:6:

  1. Tippen Sie 1 / 6 = ein. Das Ergebnis ist 0,166666.
  2. Kreuzen Sie nun die Checkbox Inv oben links an.
  3. Klicken Sie die Taste „tan”.
  4. Das Ergebnis ist etwa 9,4623 - die Weiche hat also knapp 9,5° Abzweigwinkel.

Wenn Ihr Taschenrechner mit Radiant (rad) als Einheit arbeitet, möchten Sie das Ergebnis eventuell in alte Grad umrechnen. 1 rad entspricht 180 ÷ Pi, also etwa 57,2958°. Das Ergebnis in rad muss also mit 57,2958 multipliziert werden.

Die Verhältniszahl entspricht dem Kehrwert des Sinus (sin) des Winkels, also bei alten Grad: 1 : x = sin(9,4623) = 1 ÷ 0,1643986 = 6,08.
Auf dem Windows–Rechner können Sie für den Kehrwert die „1/x”–Taste verwenden.

Die Rechnung mit Radianten (rad) sieht etwas anders aus:
180 ÷ Pi ÷ 9,4623 = 6,06.

 

Weichentypen

Neben einfachen Weichen (EW) gibt es noch etliche andere Bauformen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie gegenüber EW Platz sparen. Dreiwegweichen (DWW) bestehen aus zwei ineinander verschachtelten Weichen mit drei Herzstücken. Die Stränge von Außenbogenweichen (ABW) werden durch zwei auseinander laufende Bögen gebildet, während die Krümmung bei Innenbogenweichen (IBW) in die selbe Richtung weist.

Außenbogenweiche.
[ ± ].

Innenbogenweiche.
[ ± ].

Außen– (ABW) und Innenbogenweiche (IBW).

Eine besonders interessante - und Platz sparende - Konstruktion ist die Doppelkreuzungsweiche (DKW). Bei ihr sind vier einfache Weichen paarweise gegeneinander gespiegelt ineinander gebaut. DKW haben vier Paar Weichenzungen. Dadurch ergibt sich eine Kreuzung, die auch im Bogen befahren werden kann. Auf dem letzten Bild dieses Abschnitts ist die gebräuchlichere, „englische” Bauart abgebildet. Bei dieser Ausführung liegen die Weichenzungen innerhalb der äußeren Herzstücke.

Ist nur eine der beiden Bogenfahrten möglich (wenn also zwei Weichenzungen–Paare entfallen) handelt es sich um eine einfache Kreuzungsweiche (EKW).

Es gibt noch eine zweite DKW–Bauart, die „Baeseler”–DKW. Bei dieser interessanten Konstruktion berühren sich die äußeren Bogenschienen in der Mitte der Weiche, die Weichenzungen befinden sich außerhalb der äußeren Herzstücke. Diese Weiche lässt sich nur mit einer passenden Mischung aus Bogenradius und Kreuzungswinkel bauen.

 

Exkurs: Radien

Mit zunehmender Geschwindigkeit, mit der Weichen überfahren werden dürfen, müssen deren Radien immer größer und folglich die Abzweig– oder Herzstückwinkel immer kleiner werden. Bei Schmalspurbahnen aus der „guten alten Zeit”, deren Dampfloks oft nur mit Mühe 40 km/h erreichten, besteht dafür keine Notwendigkeit, zumal Weichen in der Regel mit höchstens 15 km/h überfuhren wurden.

Die dem Verfasser bekannten engsten Radien bei Meterspurbahnen liegen bei etwa 50m. Umgerechnet auf dem Maßstab 1:22,5 sind das 2,22 m. Insofern sind die Bögen und Weichen des R5 von LGB® mit etwa 2,3 m Radius sehr zu begrüßen - vor allem für diejenigen, die den Platz haben, sie einzusetzen.

Bei schlanken Weichen wird im Vergleich zu engeren viel mehr Länge benötigt, bis die selbe seitliche Abweichung erzielt wird. Im Gegenzug müssen jedoch Zwischengerade nicht mehr so lang sein. Das Bild zeigt eine Weichenstraße mit LGB®–Weichen der Radien 1, 3 und (etwa) 5. Die Zeichnung entstand, bevor die „neuen” Weichen auf den Markt kamen. Es wurde jedoch schon von 15°–Weichen ausgegangen.

Bei der untersten Ausführung sind die Bahnsteigbreiten - bei etwa gleicher Lage der Weichenverbindungen, jedoch gegenüber dem obersten Beispiel doppelter Länge - deutlich schmaler. Kurven und Weichen des Radius' 1 sollten aus zwei Gründen nicht benutzt werden: Schon kurze Fahrzeuge kanten darauf so stark ab, dass die Puffer seitlich auseinander klaffen. Die Betriebssicherheit lässt - besonders bei auf die Herzstückspitze zu geschobenen Wagen - erheblich zu wünschen übrig. Durch die großen Winkel zwischen den Kupplungen besteht außerdem die Gefahr, dass einer der Haken unten nach außen springt.

 

Stellen der Weichen

Beim Vorbild gibt es drei Formen von Weichenantrieben: Ortsgestellte Weichen haben einen Stellbock mit einem Stellhebel samt Gegengewicht. Die Zeichnung dieses Abschnitts zeigt die normale Reichsbahn–Ausführung. Es gab jedoch auch andere Varianten, bei denen zum Beispiel die Drehachse des Stellhebels rechtwinklig zum Gleis angeordnet war (allerdings nur in Verbindung mit Weichensignalen, da die Stellung der Weiche sonst für den Lokführer nicht erkennbar gewesen wäre).

Bei ortsgestellten Weichen mit einer definierten Ruhelage war die obere Hälfte des Stellgewichts weiß gestrichen. Die Stellgewichte trugen die Weichennummer angeschrieben, bei DKW befand sie sich auf dem Signal („2 a/b”). Auf der Seite zum Thema „Weichensignale” finden Sie ein Vorbildfoto.

Die früher gebräuchlichste Form (außer bei Kleinbahnen) waren Antriebe für doppelte Drahtzugleitungen. Dadurch konnten Weichen vom Stellwerk aus fernbedient werden. Dieses Thema hat Stefan Carstens im Miba–Report „Mechanische Stellwerke - Band 1”, Miba–Verlag, Nürnberg) erschöpfend behandelt. Das Buch ist beim Fremde Seite Miba–Verlag online erhältlich.

Die dritte, heute übliche Form sind Antriebe mit Elektromotoren.

Bei Kleinbahnen gab es seltener fernbediente Weichen und zuweilen nicht einmal Weichensignale.

Die Weichenzungen sind miteinander über eine Stellstange, zuweilen auch über einen Trapezverschluss (siehe Abbildung ganz oben) verbunden. Damit sie sich leichter bewegen lassen, ruhen sie mit ihrem nur innen breiteren Fuß auf Gleitplatten.

 

Weichenantrieb für Drahtzugleitungen

Die Skizze rechts zeigt eine Meterspur–Weiche mit einem Draht– / Rollenantrieb und erläutert das Funktionsprinzip.

Die Drahtzugleitung wird an der Rolle umgelenkt. Die Verbindung zum Stellwinkel erfolgt über eine Sperre, die bei einem Drahtbruch die Weiche in einer Stellung hält. In die Drahtzugleitung sind stets Spannwerke eingefügt, die die Stahlseile unter konstanter Spannung halten. Die Drahtzüge werden regelmäßig über Rollen an Haltern gestützt.

  Textbeschreibung: Drahtzugleitungen und Spannwerke.

Die Spitzen der Weichenzungen werden - zumindest bei größeren Bahnen - mit einer sinnreichen Hebelanordnung in den beiden Endlagen verschlossen, zum Beispiel mit einem „Spitzenklammerverschluss”. Das ist hier im Bild nicht eingezeichnet.

Eine ähnliche Konstruktion - jedoch nicht mit Drahtzügen, sondern einem einfachen Umlenkwinkel mit anschließenden Stellstangen - wird benötigt, um bei Doppelkreuzungsweichen das mittig liegende Weichensignal anzusteuern.

 

Schutzweiche und Gleissperre

Zum Schutz vor Flankenfahrten werden bei der Eisenbahn zwei Maßnahmen ergriffen. Die aufwendigere Variante ist der Einbau einer Schutzweiche, wie im zweiten Bild gezeigt. Auf sie folgt meist direkt ein Prellbock, manchmal auch „gar nichts” - Hauptsache, der abrollende Wagen oder fehlgeleitete Zug rollt nicht auf das Hauptgleis. [ b ].

Foto einer Gleissperre im Bahnhof Neresheim.
[ ± ]. Der Keil einer Gleissperre.

Das dritte Bild des Abschnitts zeigt die gebräuchlichere Variante: eine Gleissperre. Sie besteht aus einem auf die der Gefahrenseite abgewandten Schiene klappbaren Keil, der angelegt für eine Entgleisung des Fahrzeugs in diese Richtung sorgt. Die Zeichnung zeigt nur das Prinzip, nicht die genaue bauliche Ausführung. [ b ].

Gleissperren werden besonders häufig dort eingesetzt, wo beispielsweise private Gleisanschlüsse oder Ladegleise in die Strecke beziehungsweise das Stammgleis münden.

 
 
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