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Wagen

Vorbild: Bremsen

Spätestens bei Waggonmodellen im Maßstab 1:87 ist eine richtige und vollständige Nachbildung der Bremsanlage möglich. Dass die Industrie hier spart, ist klar. Nahezu alle Teile der Bremsen stehen frei oder haben zumindest viele Hinterschneidungen, sodass Produktion und Montage teuer sind beziehungsweise wären - zuweilen teurer als die des Aufbaus.

Daher ist der vorbildorientierte Modelleisenbahner oft auf Eigenbau - mit Hilfe durchaus lieferbarer Kleinteile - angewiesen. Hier folgen die dafür nötigen Vorbild-Informationen. Siehe hierzu auch Dampflok: Bremsen.

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Bestandteile der Bremsanlage

Handbremsumlenkhebel und Umlenkhebel–Lagerbock.
[ ± ].  [ b ].

Die Bremswirkung entsteht dadurch, dass beweglich gelagerte Bremsklötze an die Laufflächen der Räder gedrückt werden. Das soll bei allen vorhandenen Bremsklötzen möglichst gleichmäßig geschehen. Daher ist der zweite wichtige Teil der Anlage die Umlenkung und Verteilung der Kraft von einem Punkt aus.

Das zweite Bild dieses Abschnitts zeigt, die diese Aufgabe in der Frühzeit oft gelöst wurde. Auf dem Gewinde der Bremsspindel an der Bremskurbel läuft eine nicht drehbare Kastenmutter. Daran sind über Bolzen rechts und links Hängeeisen befestigt. Diese Flacheisen übertragen die Zugkraft auf den Handbremsumlenkhebel (siehe erstes Bild).

Eine Ausgleichswippe verteilt die Kräfte und Bewegung gleichmäßig auf zwei Zugstangen. Die Umlenkhebel–Lagerböcke tragen eine Stange mit den Hebeln, die die Bewegung in beide Richtungen (Zug und Druck) auf die Bremsgehänge wirken lassen.

Auf dem Foto oben ist zu erkennen, dass die Bremsklotz–Träger in Hängeeisen gelagert sind. Diese Eisen sind rechts und links unten über eine Stange oder ein Endbremsdreieck zur Verteilung von Zugkräften aus der Wagenmitte miteinander heraus verbunden. Alle beweglichen Stangen der Bremsanlage, also auch die Endbremsdreiecke, werden durch Fanglaschen gegen Herunterfallen gesichert (falls sich einmal ein Verbindungsbolzen lösen sollte). Ein solches Flacheisen ist auf dem Foto oben auf der linken Seite gut zu erkennen.

Die dritte Abbildung dieses Abschnitts zeigt die soeben beschriebenen Teile schematisch von unten. Das ist ein Ausschnitt einer Druckluft–Bremsanlage, daher gibt es nur eine Handbrems–Zugstange. Die Bremsgehänge sind an Rahmen–Querträgern aufgehängt. Deren Lage ist also nicht beliebig.

Nachfolgend ist die alte Umlenkung noch einmal größer von der Seite abgebildet.

 

Umlenkung

Die oben gezeigte Umlenkung hat einen konstruktiven Nachteil: Die Hälfte der Stangen, die auf die Bremseisen wirken, muss Druck übertragen. Dazu müssen sie - je länger die Stellentfernung wird, desto mehr - große Durchmesser haben. Daher setzten sich schon vor 1900 Umlenkmethoden durch, bei denen nur noch Zugkräfte auftreten.

Das zweite Bild des Abschnitts zeigt die zwei gebräuchlichsten Bauformen. Der Pfeil markiert jeweils die Stange, an der von der Handbremse oder einer weiteren Umlenkung gezogen wird. Die obere Ausführung gab es auch in der Art, dass die linke Hälfte der Waage so wie die rechte aufgebaut war. Die Stange endete dann an einem Festpunktlagerbock (Abbildung siehe weiter unten). [ b ]

Umlenkwaage mit Weiterführung (1).
[ ± ].  [ b ]. Weiterführung (1).

Die untere Ausführung hat den Vorteil längerer Hebelarme (höhere Untersetzung), aber den Nachteil, dass für das hier linke Endbremsdreieck nur wenig Länge zur Verfügung steht.

Außerdem kann diese Konstruktion im Gegensatz zur oberen nur mit Hilfe einer zusätzlichen Ausgleichswaage zur nächsten Achse weiter geführt werden (siehe dritte Skizze des Abschnitts). Wie das bei der oberen Bauart geschieht, ist hier gezeigt. Diese Form wird auch bei vielen Drehgestellen eingesetzt (nicht jedoch bei Diamond–Typen, weil es dort wegen der Querträger nicht geht).

 

Umlenkung bei Diamond–Drehgestellen

Diamond–Drehgestelle haben in der Regel nur innen liegende Bremseisen, weil es der Außenseite der Drehgestelle keine Befestigungs–Möglichkeit dafür gibt.

Die einfache Umlenkung (Handbremse oder Druckluft-Bremsanlage wirkt auf ein Drehgestell) wird wie im zweiten Bild dieses Abschnitts gezeigt gebaut. [ b ]

Um genug Platz für die Bremsklötze zu haben, liegen diese oft nicht in Höhe der Radmitte, sondern deutlich darunter.

Sollen die Zugkräfte bei einer Handbremse auch auf das zweite Drehgestell übertragen werden, könnte die rechte Seite entsprechend der Zeichnung wie die linke ausgeführt werden. Zumindest dem Verfasser ist jedoch kein Wagen mit Bremsen an beiden Diamond–Drehgestellen bekannt.

Je länger die Wagen, je enger die zu durchfahrenden Gleisbögen und je größer der Abstand zwischen Drehgestellzapfen und Handbremsspindel werden, desto größer wird der Drehwinkel zwischen Dreh– und Fahrgestell bei der Spindel. Da der neutrale Mittelpunkt nicht verwendet werden kann (dort liegt ja schon der Drehgestell–Lagerzapfen), muss die Anlenkung von der Bremszugstange entweder über einen in Wagenmitte (möglichst nahe beim Drehpunkt) gelagerten Hebel erfolgen oder über zwei außen liegende, das jedoch wieder mit einer Ausgleichswaage.

Bei Hauptbahn-Wagen, die nur entsprechend großzügige Radien durchfuhren und das Drehgestell nahe der Pufferbohle hatten, trat das Problem kaum auf (siehe die zweite Skizze des Abschnitts, die den bayerischen Regiekohlewagen OOtm für Kohle–Ganzzüge zeigt).

Anders sieht es jedoch bei Schmalspur–Bahnen aus. Daher wurde zuweilen zum Ausgleich der Drehbewegung an den Anlenkpunkten der Umlenkhebel rechts und links eine Kette befestigt, die etwa in der Mitte über eine Laufrolle geführt wurde. An dieser Rolle griff die Handbremszugstange an.

Obwohl es statisch nicht die beste Lösung ist, die Drehgestelle möglichst nahe bei den Stirnseiten der Wagen anzuordnen, gibt es dafür triftige Gründe. Einer davon ist, dass mit zunehmender Auslenkung die Pufferteller immer größer werden müssten.

 

Saugluft–Bremsanlagen

Aus konstruktiven Gründen erfordern Saugluft–Bremsanlagen Lagerböcke für die Umlenkhebel, analog zu der oben gezeigten Anordnung. Der Bremszylinder muss senkrecht stehen.

Das war sogar ein Vorteil, zumindest solange Wagen mit der alten Handbremsanlage nachträglich auf Saugluftbremse umgebaut wurden. Die Anlage ließ sich nämlich, wie aus der Skizze rechts hervorgeht, mit nur einem zusätzlichen Hebel anbringen. Dieser Hebel musste so aufgebaut sein, dass die Anlenkung wahlweise durch den Zylinder oder die Handbremszugstange erfolgen konnte. Dafür braucht es einen Freilauf (siehe Skizze).

Obwohl diese Konstruktionen von Hardy und Körting auch „Vakuum–Bremsen” genannt wurden - der durch das Blasrohr an der Lok erzeugte Unterdruck war anfänglich „nicht so berühmt” (etwa 0,7 at). Daher mussten die Bremszylinder B recht groß sein, um die nötige Wirkung zu zeigen. Da ein proportionales Verhältnis zwischen Größe und Bremsleistung bestand, gab es zahlreiche verschiedene Ausführungen.

Eine weitere Besonderheit war, dass die Zylinder (B) in einer Waage frei schwingend aufgehängt werden mussten, um stets die genau senkrechte Lage zu erhalten. Das erforderte für die Verbindungen von und zu Hauptluftleitung L und Hilfsluftbehälter H flexible Schläuche. Diese waren besonders in der Frühzeit recht störanfällig.

 

Druckluft–Bremsanlagen

Die K.Bay.Sts.B. kann als Pionier bei der Einführung der Druckluft–Bremsanlagen gelten. Schon um 1890 wurden Wagen fast nur noch damit ausgerüstet gebaut. Ein entscheidender konstruktiver Unterschied zu den bisher vorgestellten Systemen ist, dass die Handbremszugstange nun mit einem Umlenkhebel des Druckluftbremszylinders verbunden ist.

Die Funktion der Anlagen von Westinghouse und Knorr wurde schon unter Dampflok: Bremsen: Druckluftbremsen beschrieben. Nachfolgend werden die Bestandteile der älteren Ausführung mit getrenntem Hilfsluftbehälter gezeigt.

Druckluft–Bremsanlage Bauart Westinghouse mit getrenntem Hilfsluftbehälter.
[ ± ].  [ b ].

Es sind und heißen:

  • 1 Bremszylinder
  • 2 Steuerventil
  • 3 Hilfsluftbehälter
  • 4 Lösevorrichtung
  • 5 Hauptluftleitung
  • 6 Staubfänger
  • 7 Notbremsventil–Leitung
  • 8 Zylinderhebel
  • 9 Festpunkthebel
  • 10 Bremszugstange
  • 11 Hauptbremszugstange
  • 12 Brems– beziehungsweise Umlenkhebel
  • 13 Bremshebelverbindung
  • 14 Bremsdreieck
  • 15 Bremsklotz
  • 16 Endbremsstange
  • 17 Festpunktlagerbock
  • 18 Handbremszugstange
  • 19 Handbremsumlenkhebel mit Lagerbock
  • 20 Bremskupplung
 

Druckluft–Bremsanlagen (vereinigte Bauart)

Die oben gezeigte Ausführung bot vor allem bei den zuerst üblichen Wagen mit sehr kurzen Radständen Vorteile, weil der Hilfsluftbehälter an nahezu beliebiger Stelle angebracht werden konnte und der Bremszylinder angenehm kurz war. Später - oder bei genug Platz - wurden die Teile jedoch gleich zu einer Einheit zusammen gesetzt (siehe Bild).

Druckluft–Bremsanlage Bauart Westinghouse, vereinigte Bauart. [ ± ].

Die Lösevorrichtung ist mit dem Steuerventil gemeinsam verbaut. Sie war nötig, um Druck aus dem Hilfsluftbehälter ablassen zu können (vergleiche die Beschreibung der Funktion). Die Wagen hätten ansonsten nur mit Druckluft von der Lok bewegt werden können. Das wäre jedoch einerseits beim Rangieren umständlich, zum anderen hätten die Wagen nicht mit Lokomotiven ohne Druckluftpumpe eingesetzt werden können.

Beachten Sie bitte, dass der Festpunkthebel (9, links) auf einem fest mit dem Fahrwerk verbundenen Bock gelagert ist. Er hat meist tatsächlich eine andere Grundstellung als der Zylinderhebel (8).

Diese Anordnung ist die verbreitetere. Sie entspricht in ihrem Aussehen (zumindest an Wagen) den Knorr– und Kunze–Knorr–Druckluftbremsen. Beide Versionen gab es in verschieden schnell wirkenden Ausführungen für Personenzüge und Güterzüge. Dazu gab es noch die umstellbaren Versionen, beispielsweise für Güterwagen, die bei Bedarf auch in Reisezüge eingestellt wurden.

 
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